Preise und Ehrungen

5. Oktober 2019

Hilde-Broër-Preis für Medaillenkunst 2019 für Heidi Wagner-Kerkhof

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8. Oktober 2018

Hilde-Broër-Preis für Medaillenkunst 2017 für Klaus Kowalski

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5. April 2015

Hilde-Broër-Preis für Medaillenkunst 2015

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15. November 2014

Deutscher Medailleurpreis 2014 für Andreas A. Jähnig

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21. Juni 2013

Hilde-Broër-Preis für Medaillenkunst 2013

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10. September 2011

Hilde-Broër-Preis für Medaillenkunst 2011

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25. Mai 2011

Deutscher Medailleurpreis Johann Veit Döll

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15. Juni 2009

Hilde-Broër-Preis für Medaillenkunst 2009

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21. Juni 2008

Hilde-Broër-Preis für Medaillenkunst 2008

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1. September 2006

Hilde-Broër-Preis für Medaillenkunst 2006

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5. November 2005

Hilde-Broër-Preis für Medaillenkunst 2005

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20. Oktober 2007

Hilde-Broër-Preis für Medaillenkunst 2007

Verleihung des Hilde-Broër-Preises an Wilfried Fitzenreiter für sein Medaillenschaffen auf der Jahrestagung der DGMK am 20. Oktober 2007 im Bode-Museum Berlin

Wilfried Fitzenreiter zum 75. Geburtstag
Laudatio zur Verleihung des Hilde-Broer-Preises für Medaillenkunst am 20. Oktober 2007 im Bode-Museum Berlin
Bernd Göbel

Bildhauer, die Lesbares produzieren, schaffen sich mehrfach Probleme. Zum Einen eröffnet gespiegelte Realität der persönlich geschmäcklerischen Beurteilung des Betrachters Tür und Tor, zum Anderen ist die zwangsläufig damit verbundene Polarisierung der so genannten Konsumenten meist dazu angetan, total dafür zu sein oder die Kunstform kategorisch abzulehnen. Einfacher, für den Künstler noch dazu eine weitaus geräuschvollere Aura schaffend, ist die Herstellung des Unerklärbaren, zu dessen Ergründung Vermittler benötigt werden.
Der Weg, den Wilfried Fitzenreiter, solange ich ihn kenne, beschritt, war ausnahmslos der erstere. Wenn ich ihn in den sechziger Jahren im Atelier besuchte, Ende der siebziger dann auch einmal mit Studenten, entstand immer der Eindruck, es ist alles folgerichtig, wie er seine Bilder entwickelt. Neben einigen wenigen Kunsthistorikern kennen wohl wenige figürlich arbeitende Bildhauer ihre frühen Väter so gut wie Wilfried Fitzenreiter.
Als das Land noch klein war, aus heutiger Sicht die Dinge noch einfacher zu sein schienen, gab es regelmäßige Treffen am 9. Dezember zu Weidanz Geburtstag. Apel führte uns durch den Magdeburger Dom, Lichtenfeld erklärte umständlich in Freyburg, dass die Winkel der Reliefträger am OdF-Mahnmal zu stark geöffnet seien, Fitzenreiter organisierte im Berliner Museum die Einsicht ins Archiv koptischer Stoffe – dort standen noch unberührte Verpackungen aus den dreißiger Jahren. Ein Besuch der Quedlinburger Kirchen erbrachte ein groteskes Gruppenfoto im professionellen Fotoatelier mit Fruchtschale einschließlich einer künstlichen Banane im Vordergrund des Bildes. In diesem Bildhauertross war ich der Jüngste. Nebenbei konnte man aus dem produktiv geführten Fachstreit auch manches Interessante mit nach Hause nehmen. Wahrscheinlich waren die Begegnungen, deren Rekapitulation Außenstehenden heute immer etwas Schwärmerisches vermittelt, sehr lebendig und sachbezogen, so dass man sich daran gern erinnert.
Das Problem, vor dem ich nun stehe, lautet: wie spricht man in der gebotenen Kürze über einen Bildhauer, der ca. 500 Medaillen gemacht hat, die Anzahl seiner Figuren und Porträts entzieht sich weitgehend meinen Schätzungen.
Es wäre gut und richtig, sein Medaillenkonvolut aufzulisten, zu bebildern und den Weg deutlich zu machen, der genommen wurde. Erkennbar wäre so ein beachtliches Maß an zu findender Form, nicht zu vergessen ein Maß an Regelmäßigkeit, die ihn befähigte, so scheinbar leicht seine Figurenwelt ins Negativ zu schneiden, Virtuosität aus immer wieder neuem Versuch.
Zwei für mich sehr gegenwärtige Bilder möchte ich beschreiben, um mich dem Bildhauer und Medailleur Fitzenreiter etwas zu nähern.

Bild 1 : Die Schwedter Straße, ein alter Laden mit großen Scheiben, eine mögliche Sicht nach draußen versperrten Kunststofffoliengardinen, auch Igelith-Vorhänge genannt, am oberen Ende ein freier Streifen, der den ewig grauen Himmel sehen ließ, den Himmel über der Hauptstadt, insofern hat sich nichts geändert.
Im Raum ein meist umfänglicher Berg Gipsformtrümmer, die größeren Bruchstücke zeigten anschaulich die negativen Querschnitte von Oberschenkeln, die man sich ansah. Um diesen Mont Klamott der Bildhauerei standen die daraus Geborenen, lebensgroße Akte, teilweise von locker erscheinender aber dicht geformter Oberfläche, andere von klassischer Strenge, letzte Modellierstrukturen wurden im Gips überfeilt.
Einer seiner Lehrer, Gerhard Lichtenfeld, sagte mir in meinen jungen Jahren einmal auf die berühmte Frage nach den künstlerischen Kriterien, Hände und Füße der Figuren müsse man ansehen. In Fitzenreiters Werkstatt fand man davon reichlich, lebensnahe Hände von strengster Geometrie. Dies könnte man weiter vertiefen, ich muß aber um den Raum weiter zu durchforsten, um zwischen vielen interessanten Hindernissen wie Stößen von Zeichnungen zu jenem Tisch zu gelangen, wohlgemerkt unter beschwerlichen Windungen, auf dem die kleinen Dinge produziert wurden.
Dieser Tisch stand unweit eines halbhohen Einbaues, einem russischen Ofen gleich, in dem man sich auch die Hände waschen konnte, auf dessen oberer Fläche aber unendlich viele Porträts standen, Malerkollegen, die Kinder des Bildhauers in verschiedenen Altersstufen, die Frau, über den hinteren ein Hauch von Grau, die neueren Köpfe weiß. Zwischen kleineren Akten stand vorn ein Gips einer streng getrimmten Figur seines Lehrers Gustav Weidanz, so schaute Weidanz auf den Tisch herab und wundert sich, was macht der Kerl dort in dieser Unordnung, Herr Fitzenreiter, wozu diese vielen Medaillen?
Ganz Weidanz verpflichtet, entsteht 1960 für die Akademie der Künste Max Liebermann, Liebermann im Profil nach rechts, schaut er zurück?
Ein komprimierter kleiner Kopf im großen freien Raum, maßvoll, gefasst von Schrift, der zweite Kleist von 1967 mit Bruststück, ein deutlicher Akzent im Kreis, einem Ausrufezeichen nahe steht der Dichter auf einer Platte ohne jedes weitere Detail.
Dann 1973 der beeindruckende Suhle, keine verstaubte Museumsmaus, weit blickend, konzentriert, wach, die Summe eines Mannes und auch eines Lebens.
Etwa 20 Jahre später eine Medaille auf Gustav Döderlein zum 100. Geburtstag des Arztes, er erscheint mir in seiner so unaufgesetzten Eindringlichkeit und formalen Verknappung unbedingt erwähnenswert.
Dazwischen auch ganz andere Medaillen, scheinbar hingeworfene, der zerknirschte Barlach nach jenem Frontalphoto, das immer die Vorlage für Barlach-Bildnisse hergeben muß, selten aber eine so beseelte plastische Umsetzung erfahren hat, wie Fitzenreiters Bronzebildnis von 1970 oder eine andere, ein Selbstbildnis von 1993, was sieht der nach links blickende Bildhauer, sieht er durch ein leeres virtuelles Gebilde und findet in der Ferne, was er zu suchen scheint, wartet er auf die Einlösung eines Versprechens? Im kindlichen Alter saß ich auf einem Kinderdrehstuhl beim Friseur, wurde es mir zu lange und dem Haarschneider zu unruhig, sagte er zu mir, da sieh, dort zwischen den Schränken kommt gleich die Mietzekatze. Ich vermute, dass sich bei mir damals etwas Desillusionierendes einstellte, was die Katzen betraf.
Und nun Bild 2:
Wenn er seine Eltern in Halle besuchte, es können auch mir unbekannte Sehnsüchte gewesen sein, die ihn nach Halle führten, besuchte er Burg Giebichenstein, sein Domizil über viele Jahre, glückliche Jahre wage ich zu behaupten.
Mehrfach wurde ein altes Ritual neu belebt, schafft man noch wie damals, alle fünf Stufen im Flur mit einem einzigen Sprung nach oben zu überwinden? Eine Selbstbestätigung, zu viel Ruhe bei der Arbeit, ein tief in der Kindheit anzusiedelndes psychologisches Problem – nie habe ich je solche Überlegungen angestellt.
Gelegentlich erfuhren wir nach dem Sprungversuch, was in der Hauptstadt gedacht und gemacht wurde, welchen Kunsttheorien gerade der größte Zulauf vorauszusagen ist, was Posch für wahnsinnige Eisengüsse gemacht hat, Kopfschütteln über gebildhauerte Landschaften, wie es um die Entwicklung des Marx-Engels-Forums steht, kämen wir nach Berlin, sollten wir uns den Touallion vor dem Museum richtig ansehen und drinnen den Maree`s. Er sei viel länger als erlaubt bei Woyski in Griechenland gewesen, ein ganz anderes Lichtdort, man müsse die Steine in diesem Licht sehen. Na ja und der alte Drake, der sieht eben noch richtig hin, besiedelte Drake in Berlin also auch nur eine kleine Insel?
Zurück zu jenem Tisch, auf den Weidanz von oben schaut, was Fitzenreiter aus ihm und Drake macht. Geboren aus der noblen Geste, zum Neuen Jahr den geliebten Mitmenschen einen ofenfrischen, plastischen Gruß zu senden, begann Wilfried Fitzenreiter meines Erinnerns Mitte der sechziger Jahre kleine – ich will sie Ereignismedaillen nennen – zu versenden.
Klein bedeutet um die 5 cm im Durchmesser, selten besitzen sie eine Rückseite. Es beginnt ganz harmlos. 1970 fährt der viel zu große Mann in seinem zu kleinen Ruderboot, es heißt hier: „Gute Fahrt“. Ein Jahr später wirft ein gerade zum Stehen gekommener Säugling unter großem Geschrei mit einem kugelförmigen Objekt nach dem Betrachter, ich schmeiß euch eure Erde vor die Füße, im Text wünscht man lapidar „Viel Kraft“. Es folgen „Munter Fürbass“, weit schreitet der Dicke aus. Üppig und hingelagert dann 73 das Weib, der Bildhauer wünscht „Schöne Träume“, 1974 verspeist unter dem Motto „Guten Appetit“ eine brachiale Mannsperson einen größeren Brocken. In den Achtzigern wünscht man „Weiter suchen“, drei laufende Männer, der Vordere leichtfüßig, die Folgenden mit Funzeln und Sicherheitshelm suchen schon mit Einsatz des Gehöres. Zwei Jahre später freut sich der Überraschte unter dem Motto „Schöne Funde“ über die Blume am Wege. Dann 1989 im spröden Gehölz des herbstlichen Baumes trennen sich Mann und Frau, verlassen ratlos die Bildfläche nach entgegen gesetzten Seiten, ein wieder ganz anderes Stück, die Figuren harmonisiert und ernst, keine merkantilen Volumina, man denkt unwillkürlich an die Brancchacci-Kapelle in Florenz. Im gleichen Jahr gibt es im gleichen Format eine hinreißende „Bananenfalle“, deren tiefernsten Hintergrund wohl besonders der Hineingeratene verstehen kann.
Nun werden die großen antiken Mythen Prometheus – Herakles, Ikarus, Hermes – Apoll in ganzen Serien ins Bild gesetzt, das Rund als Rahmen scheint immer gefährdeter, Körpermassen wuchten gegen- und auseinander, eine hoffnungslose Situation für den Zauberlehrling, selbst die sich liebenden Paare zeigen nun nach 1990 ein deutliches Befreitsein. Vieles ist so ekstatisch und mit sicherer aber betroffener Hand gesetzt, dass jede Erörterung über die Aufgabe, das Wesen der Medaille, ja der Kunst schlechthin ad absurdum geführt wird. Hier ist ein Bildhauer am Werk, der seine Sicht auf die Zeit, die ja auch die seine ist, mit Hilfe der menschlichen Figur virtuos beschreibt.
Mit etwas Distanz betrachtet sind Wilfried Fitzenreiters Ereignismedaillen wiederum in ihren Szenerien wohl etwas besonderes, in ihren Themen ewig alt, sie sind, wie das Leben sich zeigt, und spiegelt uns die Kunst diese Versatzstücke lesbar, verursachen sie gelegentlich beim Betrachter Aufmerksamkeit, der sich dadurch mitunter auch angestachelt mit kritischem Widerspruch dem Objekt zuwendet, eine durchaus freudige Überraschung für den Künstler.

Zum Schluß: Mancher wird es bemerkt haben, will ich den als permanent grau geschilderten Himmelsstreifen aus dem Bild 1 relativieren. Nicht immer war er so grau, dass wir nicht hätten herzhaft lachen können, nicht immer ist der tiefblaue Himmel auf Dauer verträglich für alle Vogelarten.
Ganz am Ende möchte ich Dir, lieber Wilfried, wünschen, dass Du am zitierten Tisch weiter, auch im Antrieb negativer Energien, gesund und von deiner Arbeit beglückt tätig bist und Deine Bilder formst von dem, was wir unsere Zeit nennen.

Zum Nachlass des Bildhauers und Medailleurs siehe die Webseite im Internet:
Wilfried-Fitzenreiter.de

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